Tabelle 3 Flächenbedarf unterschiedlicher Personen [3]
Tabelle 4 Flächenbedarf mit unterschiedlichem Gepäck
5.1.4 Struktur des Personenstromes Bei massenartigen, nicht übereinstimmenden, gerichteten, beschränkten oder freien, kurzzeitigen oder langandauernden Bewegungen, die unter normalen oder Gefahrenbedingungen verlaufen, bilden Menschen einen Strom in eine Richtung mit der Breite und der Länge . Dabei ist b die Breite des Stromes und Δb der Zwischenraum, der durch das Schwanken beim Laufen oder durch Angst vor dem Anstoßen an die Konstruktionen einsteht. Wie in Abbildung 5. 1 ersichtlich, werden das Kopf- und das Endteil des Personenstromes jeweils aus einer geringeren Personenzahl als der Hauptstrom. Da die Menschenmenge am Kopf- und Endteil jedoch relativ klein im Vergleich zur Hauptmenge ist, wird der Strom vereinfachend als ein Rechteck betrachtet.
Abbildung 5.1 Struktur des Personenstromes
5.1.5 Dichte des Personenstromes Die Dichte des Personenstromes ist abhängig von der Anzahl der Personen P und dem Flächenbedarf. Sie berechnet sich dabei aus dem Verhältnis der Summe des Flächenbedarfs aller Personen zur eingenommenen Grundfläche des Personenstromes. Predtetschenski und Milinski haben die folgende Formel angegeben:
( 1) mit : D Personenstromdichte P Personenzahl b Wegbreite [m] Länge des Personenstromes [m] projizierte Grundrissfläche einer Person [m²] Für die Bestimmung der maximalen Dichte wird davon ausgegangen, dass die Ellipse, die sich aus der senkrechten Projektion des Körpers ergibt, bei einer Verdichtung des Personenstromes keine Verformung erfährt. Infolgedessen liegt der physisch bedingte Grenzwert der Dichte bei = 0,92.
5.1.6 Durchlassfähigkeit und Bewegungsintensität von Personenströmen Diejenige Menschenmenge, die sich pro Zeiteinheit einen Querschnitt mit der Breite b bewegt, wird als Durchlassfähigkeit Q bezeichnet. Für die Berechnung von Q gilt:
( 2) mit D Personenstromdichte v Bewegungsgeschwindigkeit b Wegbreite [m]
Das Produkt aus der Dichte D und der Bewegungsgeschwindigkeit des Personenstromes wird als Bewegungsintensität q bezeichnet. Die Werte für q charakterisieren den Bewegungsprozess somit unabhängig von der Wegbreite. Sie entsprechen den Werten der Durchlassfähigkeit eines Weges mit der Breite b = 1m. Für die Berechnung von q gilt: ( 3) mit q Bewegungsintensität D Personenstromdichte v Bewegungsgeschwindigkeit Bei ansteigender Dichte nimmt die Bewegungsintensität q zunächst kontinuierlich zu, erreicht dann bei einer bestimmten Dichte sein Maximum und nimmt danach wieder ab. Diese Abnahme ergibt sich aus dem Entstehen von Stauungen und Bewegungsstockungen, die nach überschreiten einer gewissen Dichte auftreten. Der Verlauf der Kurve dabei abhängig von der Wegart (siehe Abbildung 5. 2). Es wird zwischen den folgenden Wegarten unterschieden:
Abbildung 5.2 Bewegungsintensität in Abhängigkeit der Dichte
Im Allgemeinen kann beobachtet werden, dass die Durchlassfähigkeit von Engstellen etwas größer ist als die gleichgroßer horizontaler Wege. Diese Tatsache lässt sich durch das Verhalten von Menschen erklären, den engeren und folglich unbequemeren Teil des Weges möglichst zügig hinter sich zu lassen. In den folgenden Tabellen sind die Grenzwerte der maximalen Bewegungsintensität und die Bewegungsintensität bei maximaler Dichte = 0,92 für unterschiedliche Wegarten angegeben.
Tabelle 5 Maximale Bewegungsintensität [3]
Tabelle 6 Bewegungsintensität q bei maximaler Dichte = 0,92
5.1.7 Grenzen aufeinander folgender Wegabschnitte Grenzen aufeinander folgender Wegabschnitte sind Querschnitte der Verkehrswege, an denen sich die Wegbreite, die Art des Weges oder andere Faktoren ändern. Dabei kann es sowohl zu einer Veränderung eines einzelnen wie auch mehrerer dieser Faktoren kommen. In Abbildung 5.3 ist die Bewegung eines Personenstromes an der Grenze zweier aufeinander folgender Wegabschnitte dargestellt. Abbildung 5.3 Grenzen von Wegabschnitten verschiedener Breite (Wegverbreiterung)
Wenn man annimmt, dass sich in Abschnitt i mit der Durchlassfähigkeit ein Personenstrom mit der Anzahl Personen auf die Grenze zu Abschnitt i+1 zubewegt, so wird die Bewegung in diesem Abschnitt mit der Durchlassfähigkeit fortgesetzt. Bei einem ungehinderten Übergang über die Grenze zweier Wegabschnitte, wie in diesem Fall, muss die Durchlassfähigkeit beider Abschnitte gleich sein. ( 4) oder
mit Bewegungsintensität im Abschnitt i Breite des Abschnitts i [m] Bewegungsintensität im Abschnitt i+1 Breite des Abschnitts i+1 [m] Daraus lässt sich die Intensität der Bewegung in Abschnitt i+1 berechnen:
5.1.8 Bildung von Personenstauungen An den Grenzen aufeinander folgender Wegabschnitte, wie z.B. Wegeinengungen oder Durchgängen, kann es zur Verdichtung des Personenstromes kommen, was letztlich das Entstehen von Personenstauungen zur Folge hat. Abbildung 5.4 Grenzen von Wegabschnitten verschiedener Breite (Wegverengung)
Die Bedingung der ungehinderten Bewegung über die Grenze zweier Abschnitte nach Gleichung (5) führt zu einer Bewegungsintensität im Abschnitt i+1, die über der maximalen Intensität liegt. ( 6) Die Durchlassfähigkeit des Abschnitts i+1 ist demnach kleiner als die des Abschnitts i:
An der Grenze der Wegabschnitte findet eine Verdichtung des Personenstromes auf die maximale Dichte = 0,92 statt, aus der sich die Bewegungsintensität für den Abschnitt i+1 ergibt. Die Zeit, die für das Auflösen des Staus an der Grenze der Abschnitte benötigt wird, errechnet sich nach der folgender Gleichung: [min] ( 7) mit eingenommene Grundfläche aller Personen [m²] Durchlassfähigkeit von Abschnitt i Durchlassfähigkeit von Abschnitt i+1 entstandene Verzögerungszeit [min]
Die Berechnung für geneigte Wegabschnitte wie Treppen und Rampen erfolgt im Wesentlichen wie bei horizontalen Abschnitten. Dabei wird die Länge des geneigten Weges durch die folgende Gleichung berechnet: [m] ( 8) mit l Länge des geneigten Weges [m] Länge des horizontalen Weges [m] α Neigung der Wegstrecke [°] Für normale Treppen rechnet man mit einer Neigung von 1:1,75 bis 1:2,0. Deshalb kann α mit ausreichenden Genauigkeit als 30°-32° angenommenen werden.
5.2 Validierungsrechnung fiktiver Geometrien Die Validierungsrechnung an einer einfachen, fiktiven Geometrie soll die Berechnungsgrundlagen nach Predtetschenski und Milinski verdeutlichen und als Vorbereitung für Kapitel 5.3 dienen. Es soll gezeigt werden, inwieweit eine Übereinstimmung der Entfluchtungszeiten zwischen der Handrechnung und den Simulationsergebnissen erzielbar ist. Aus den Arbeiten von Predtetschenski und Milinski können zu dem Abschnitte in den Fluchtwegen ermittelt werden, die unter bestimmten Bedingungen Warteschlangen oder Stauungen hervorrufen. Diese Ereignisse lassen sich optimal in buildingExodus beobachten und in ihrer Größe und Ausdehnung qualitativ abschätzen. Die Summe aus Evakuierungszeit und Fluchtverhalten ermöglicht eine Aussage über die Genauigkeit und Güte der Simulationsergebnisse.
5.2.1 Aufbau und Beschreibung der Geometrie Bei der Erstellung einer fiktiven Geometrie sollten die Anforderungen an Fluchtwege aus der Musterversammlungsstättenverordnung berücksichtigt werden. In diesem Fall hätte sich bei einer Anzahl von 300 Personen eine Fluchtwegbreite von 1,8 m ergeben. Dieses Maß ist jedoch mit buildingExodus nicht darstellbar, da die Knotenabstände jeweils 0,5 m betragen. Die Geometrie wurde mit AutoCAD erstellt und anschließend in buildingExodus importiert (siehe Kapitel 4.2.2). Abbildung 2.1 zeigt den fertigen Aufbau vor Beginn der Simulation. Die Treppe ist aus programminternen Gründen um 90° gedreht, entspricht aber in ihren Ausmaßen exakt den Vorgaben. Bei dem Verhalten und der Zusammensetzung der Simulationsbevölkerung wurden keine speziellen Vorgaben gemacht. Es handelt sich um eine Standardpopulation, wie sie buildingExodus vorgibt. Brandsimulationen oder Verrauchungen sind auf Grund der Vergleichbarkeit zum Handrechenverfahren nicht integriert. Abbildung 5.5 Geometrie vor Beginn der Simulation
Breits kurz nach dem Start der Simulation zeigen sich erste Stauungen am Übergang zu dem Flurbereich und vor der Treppe. Die Warteschlange vor der Treppe verlängert sich während der Evakuierung bis zu dem Zeitpunkt, an dem die letzte Person dort eintrifft. Abbildung 5.6 Stauungen, die sich während der Simulation ergeben
Für die Evakuierung der 300 Personen aus der fiktiven Geometrie berechnet buildingExodus im Durchschnitt 5 Minuten und 45 Sekunden. Dabei wurden Abweichungen von etwa 7 Sekunden nach oben und unten beobachtet. Abbildung 5.7 zeigt die Verteilung der Knoten sowie die Evakuierungszeit auf der Simulation Clock.
Abbildung 5.7 Knotenverteilung und Simulationsergebnisse
5.2.3 Handrechnung nach Predtetschenski Die Handrechnung zur Bestimmung der Evakuierungszeit wird abschnittsweise durchgeführt, wie in Kapitel 5.1 beschrieben. Geometrieabmessungen und Personenzahlen entsprechen den Vorgaben aus Kapitel 5.2.1 .
1. Abschnitt (Weg innerhalb des Raumes) Abschnittsfläche: Fläche der Personen: [3] Personendichte: Gehgeschwindigkeit und Bewegungsintensität: Durchlassfähigkeit: Wegzeit für Abschnitt 1:
2. Abschnitt (Warteschlange vor dem Flur) Verzögerungszeit durch Warteschlange:
3. Abschnitt (Flur bis Treppe) Wegzeit für Abschnitt 3:
4. Abschnitt (Warteschlange vor der Treppe) [3] Verzögerungszeit durch Warteschlange: 5. Abschnitt (Treppe abwärts) Wegzeit auf Treppe:
Gesamtzeit für die letzte Person
5.2.4 Gegenüberstellung der Ergebnisse Die Entfluchtungszeiten aus buildingExodus zeigen, dass es für diese einfache Geometrie sehr gute Übereinstimmungen mit dem Handrechenverfahren gibt. Der Bereich, in dem sich die Simulationsergebnisse bewegen, deckt sich optimal mit der Evakuierungsdauer nach Predtetschenski und Milinski.
Tabelle 7 Entfluchtungszeiten aus Simulation und nach Predtetschenski
5.3 Validierungsrechnung ausgewählter Teilabschnitte des Goya-Projektes Handrechenverfahren lassen es nicht zu, die gesamte Evakuierung aus einem komplexen Gebäude, wie dem Goya Hauptstadtclub, zu berechnen. Die Fluchtwege aller Personen unterscheiden sich sehr stark voneinander, was mit den theoretischen Ansätzen nicht vereinbar ist. Aus diesem Grund wurde ein geeignet erscheinender Raum des Gebäudes ausgewählt und mit einer definierten Anzahl von Personen gefüllt. Der Ausgang aus dem Gebäude war in diesem Szenario für alle Individuen vorgegeben, sodass sich daraus ein Fluchtweg für die gesamte Population ergab. Dennoch unterscheidet sich diese Simulation deutlich von der vorhergehenden fiktiven Geometrie, da es sich um längere und inhomogenere Wege handelt, die zum Verlassen des Gebäudes zurückgelegt werden müssen.
Die Situation, kurze Zeit nach Beginn der Evakuierung, ist in Abbildung 5.8 dargestellt. Es zeigt sich, dass ähnlich wie bei dem vorhergehenden Versuch Warteschlangen am Übergang zum Flurbereich und vor der Treppe entstehen.
Abbildung 5.8 Szenario zur Validierung mit Handrechnung
Abbildung 5.9 Fluchtweg einer Person aus dem 3.OG bis zum Ausgang "Treppenhaus B"
5.3.2 Vergleichende Handrechnung Abschnittsfläche: Fläche der Personen: [3] Personendichte: Gehgeschwindigkeit und Bewegungsintensität: Durchlassfähigkeit: Wegzeit für Abschnitt 1:
2. Abschnitt (Warteschlange vor dem Flur) Verzögerungszeit durch Warteschlange vor der Engstelle:
3. Abschnitt (horizontaler Weg bis Treppe) Wegzeit für Abschnitt 3:
4. Abschnitt (Warteschlange vor der Treppe) [3] Verzögerungszeit durch Warteschlange vor der Treppe:
5. Abschnitt (Treppe abwärts) Wegzeit auf Treppe:
Gesamtzeit für die letzte Person
5.3.3 Ergebnisvergleich zwischen Simulation und Handrechnung Gegenüber den Vergleichsrechnungen an der fiktiven Geometrie ergeben sich im vorliegenden Fall bereits geringe Abweichungen. Die Handrechnung nach Predtetschenski und Milinski liefert etwas kürzere Entfluchtungszeiten, im Bereich von ca. 30 Sekunden. Hier zeigen sich erste Schwierigkeiten einer komplexen Geometrie. Es handelt sich bei den zu berechnenden Fluchtwegen nicht mehr ausschließlich um gerade, genau definierte Räumlichkeiten, sondern um gekrümmte oder verschieden breite Wegabschnitte. In diesem Fall müssen Mittelwerte für die Abmessungen angenommen werden bzw. Vereinfachungen der Geometrie getroffen werden. Beachtet man diese Schwierigkeiten, können die beobachteten Abweichungen von maximal 7% als realistisch und durchaus brauchbar bezeichnet werden. Sie liegen mit dieser Größenordnung geringfügig über den Schwankungen, die sich bei der Durchführung mehrerer Simulationen ergeben. Zusätzlich zeigen sich auch auf Seiten der Simulation bereits deutlichere Unterschiede in der Evakuierungszeit, wenn Änderungen an Parametern vorgenommen werden. Die Variablen, denen die Simulation zu Grunde liegt, sollen hier ebenfalls aufgeführt werden.
Tabelle 8 Vergleich der Entfluchtungszeiten am Beispiel ausgewählter Teilabschnitte
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